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Welche Verantwortung hat die Kirche gegenüber der Schrift?

Aktualisiert: 29. März 2023


Am 18. April 1521, auf dem Reichstag in Worms, sprach Martin Luther diese berühmten Worte:

Wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde; denn weder dem Papst noch den Konzilien allein glaube ich, da es feststeht, dass sie öfter geirrt und sich selbst widersprochen haben, so bin ich durch die Stellen der heiligen Schrift, die ich angeführt habe, überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!

Luther argumentierte basierend auf Sola Scriptura, also dem Prinzip, dass die Schrift allein die Autorität besitzt, Glaubensfragen zu entscheiden. Die Hauptfrage, um die es in der Reformation ging, war die Frage nach der Rechtfertigung. Wie wird ein Mensch gerecht vor Gott? Für die Reformer war klar, dass dies allein durch Glaube (Sola Fide) allein an Christus (Solus Christus) und dies alles allein aus Gnade (Sola Gratia) geschehen kann. Die Rechtfertigung ist also ein Geschenk Gottes, zu dem der Mensch nichts beitragen kann. Rom dagegen argumentiert bis heute, dass man sich die Rechtfertigung durch Glaube und Werke verdienen muss. Wer hat recht? Um diese (und jede andere) Frage des Glaubens zu entscheiden, benötigen wir einen Standard, eine Autorität. Es überrascht nicht, dass sich die Reformer und Rom auch in dieser Fragen nicht einig waren. Die Reformer akzeptierten allein die Schrift als Autorität. Und Rom beharrt bis heute darauf, dass allein die (römisch-katholische) Kirche diese Autorität besitzt, und sich diese nicht nur auf die Schrift, sondern auch auf die Tradition der Kirche stützt.


Natürlich hatten die Reformer recht. Und zwar in beiden Fragen. In diesem Beitrag will ich allerdings nur die Frage nach der Autorität behandeln. Warum ist die Schrift die alleinige Autorität? Und was bedeutet das für die Kirche und deren Verpflichtungen gegenüber der Schrift?


Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir uns zunächst klar darüber werden, was die Schrift wirklich ist. Sie ist nichts weniger als das unfehlbare, irrtumslose Wort Gottes! Und natürlich ist Gottes Wort auch völlig ausreichend, um jede Glaubensfrage (und in der Tat jede Frage, zu der Gott sich in der Schrift äussert) abschliessend zu beantworten.


Paulus schreibt kurz vor seinem Tod aus dem Kerker in Rom an seinen designierten Nachfolger Timotheus (2. Timotheus 3:14-17, Elberfelder): “14 Du aber bleibe in dem, was du gelernt hast und wovon du völlig überzeugt bist, da du weißt, von wem du gelernt hast, 15 und weil du von Kind auf die heiligen Schriften kennst, die Kraft haben, dich weise zu machen zur Errettung durch den Glauben, der in Christus Jesus ist. 16 Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Lehre, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Unterweisung in der Gerechtigkeit, 17 damit der Mensch Gottes vollkommen sei, zu jedem guten Werk völlig zugerüstet.”


In Vers 16 lesen wir, “alle Schrift ist von Gott eingegeben.” Paulus sagt damit unmissverständlich, dass Gott der Autor der Schrift ist. Gott hat zwar menschliche Autoren benutzt, aber Gott hat ihnen durch seinen Geist eingegeben, was sie schreiben sollen. Was hier mit “von Gott eingegeben” übersetzt ist, heisst im Griechischen wörtlich “gottgehaucht” (θεόπνευστος, theopneustos). Auch der Apostel Petrus bekräftigt dies, wenn er schreibt, “niemals wurde eine Weissagung durch den Willen eines Menschen hervorgebracht, sondern von Gott her redeten Menschen, getrieben vom Heiligen Geist.” (2. Petrus 1:21).


Die Schrift ist also wahrlich Gottes Wort. Damit ist auch klar, dass sie keine Fehler enthalten und sich auch nicht irren kann. Aber ist sie auch ausreichend? Rom behauptet, dass es zusätzlich zur Schrift auch die Tradition der Kirche benötigt. In Vers 15 lesen wir dazu, dass die Schrift die Kraft hat, uns weise zu machen “zur Errettung durch den Glauben.” Und in den Versen 16-17 lesen wir, dass die Schrift nützlich zur Lehre, Überführung, Zurechtweisung und Unterweisung ist. Ja, sie kann den Menschen Gottes sogar “vollkommen” machen und ihn zu jedem guten Werk “völlig” ausrüsten. Damit erledigt sich auch die Frage, ob es (zu den in der Schrift behandelten Themen) neben der Schrift noch weiteres Wissen bedarf, egal ob aus einer Tradition oder aus sonstigen, ausserbiblischen Quellen. Die Schrift ist vollständig ausreichend. Und sie ist aufgrund des Wesens ihres Autors auch vollständig vertrauenswürdig.


Natürlich wird die Autorität und Wahrheit der Bibel immer wieder in Frage gestellt. Die Taktik der Feinde Gottes ist so alt wie die Schöpfung selbst. Schon die Schlange in Eden hat Zweifel gesät. “Hat Gott wirklich gesagt?” fragt sie Eva (1. Mose 3:1). Nur um kurz darauf Gott sogar direkt als Lügner darzustellen, wenn sie behauptet, “keineswegs werdet ihr sterben!” (1. Mose 3:4). Eva hat damals der Schlange geglaubt, nicht Gott. Mit den bekannten, katastrophalen Konsequenzen.


Wir tun sehr gut daran, uns nicht wie Eva verunsichern zu lassen, sondern die Schrift als das hochzuhalten und zu ehren, was sie tatsächlich ist: das Wort Gottes des Allmächtigen. Sie ist damit der Masstab aller Dinge.


Jesus Christus selbst lehrt uns, welche Kraft und Autorität die Schrift besitzt. Als er in der Wüste durch den Teufel versucht wird, antwortet er mit der Schrift (Matthäus 4). In der Bergpredigt lehrt Er, dass Himmel und Erde vergehen werden, nicht aber die Schrift (Matthäus 5). Wenn Jesus mit den Pharisäern diskutiert, womit argumentiert Er? Mit der Schrift (“es steht geschrieben”, “habt ihr nicht gelesen”, z. B. in Matthäus 21:13 und Matthäus 22:31). Woraus hat Jesus die Jünger auf dem Weg nach Emmaus gelehrt? Aus der Schrift (Lukas 23:27-46). Durch was, sagt Jesus, werden alle Menschen gerichtet werden? Durch die Schrift (Johannes 5:45-47).


Der Apostel Paulus seinerseits macht immer wieder klar, welch immense Bedeutung die Schrift hat. Er lobt die Beröer dafür, dass sie täglich in der Schrift prüften, ob das, was er ihnen predigte, auch tatsächlich wahr sei (Apostelgeschichte 17:11). Er erinnert die Korinther daran, dass sie durch ihren Glauben an das Evangelium gerettet wurden, so wie es in der Schrift zu finden ist (1. Korinther 15:1-4). Im berühmten Kapitel 6 seines Briefes an die Epheser bezeichnet Paulus die Schrift als unser Schwert, also die Waffe, mit der wir uns verteidigen, aber auch angreifen können (Epheser 6:17). Und die Ältesten der Gemeinden hält er dazu an, unablässig Gottes Wort zu lehren und zu predigen (Titus 1:9).


Das Muster ist klar. Es gibt keine höhere Autorität, kein sichereres Wort als die Schrift. Und das ist aufgrund ihres Wesens auch zurecht der Fall. Schliesslich ist die Schrift das unfehlbare, irrtumslose Wort Gottes. Gott hat uns sein Wort gegeben und über die Jahrtausende bewahrt, damit wir die unverrückbare Wahrheit kennen. Damit wir wissen können, was wahr ist. Nicht, was vielleicht wahr ist, oder was wir gerne hätten, was wahr ist. Gott hat uns die Wahrheit aus Liebe anvertraut, damit sie uns schützen kann vor Irrlehren und deren schrecklichen Konsequenzen. Damit sie uns stärken und weise machen kann. Vor allem aber hat er uns sein Wort anvertraut, damit es uns verändern kann. Damit seine Kraft auf uns wirken und uns zu neuen Menschen machen kann.


Deshalb sollten wir alle die Schrift ehren. Wir müssen sie aufnehmen, als das, was sie ist. Wir müssen ihr gehorchen und uns an ihr nähren. Wir müssen sie studieren. Wir müssen sie lehren und predigen. Und wir müssen ihr mit Demut und Zittern begegnen (Jesaja 66:2).


All dies gilt für jeden Christen. Überdies tragen die Kirchen aber eine ganz besondere Verantwortung, v.a. die Pastoren und Gemeindeleiter (Älteste). Sie sind von unserem Herrn beauftragt, die Gläubigen nach dem Wort zu lehren, sie zu instruieren, geistig wachsen zu lassen und sie vor Irrlehren zu schützen.


Die Predigt ist das wohl wichtigste Instrument dazu. Wie steht es aber um das Predigen in unseren Kirchen?


Diesem Thema wollen wir uns im nächsten Teil dieser Serie widmen.

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